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CABARET

John Kander

Inszenierung | Licht Sebastian Ritschel
Musikalische Leitung Damian Omansen
Ausstattung Sebastian Ritschel | Mitarbeit: Barbara Blaschke
Choreografie Marko E. Weigert
Dramaturgie Ronny Scholz | Thomas Schmidt-Ehrenberg
Choreinstudierung Martin Wagner
 
Premiere 12. November 2016 | Theater Magdeburg

Besetzung

M.C. Adrian Becker
Sally Bowles Anna Preckeler
Clifford Bradshaw Oliver Morschel
Fräulein Schneider Undine Dreißig
Herr Schultz Peter Wittig
Fräulein Kost Sylvia Rena Ziegler
Ernst Ludwig Markus Liske
Zollbeamter Peter Diebschlag
Victor Leander Rebholz
Bobby Yael Shervashidze
Rosie Leah Allen
Lulu Sophie Allnatt
Frenchie Antanina Maksimovich
Texas Tatjana Andreia Duarte de Sousa
Fritzie Cristina Salamon Lama
Sushie Audrey Becker
Olga Amanda Mata
Hermann Adam Reist
Freddie Elio Clavel
Johnny Pavel Kuzmin
Siegfried Andereas Loos
Max Adrián Román Ventura
   
  Kinderchor des Konservatoriums
  Opernchor
  Magdeburgische Philharmonie

Trailer |

Rezensionen

Rolf-Dietmar Schmidt - Volksstimme

Wem die Welt nicht egal ist, der muss diese Inszenierung sehen!

Um es vorweg zu nehmen: „Cabaret“ ist kein Musical, wie die meisten anderen. Wer sich entspannt wunderschönen Melodien hingeben, die große Show mit knisternder Erotik und pure Unterhaltung erleben will, der wird dies alles vorfinden, und dennoch feststellen, dass in diesem Stück und in dieser Inszenierung viel mehr steckt. Hinter dem Glamour und den zuckenden Lichtern steht eine zutiefst politische, packende und aufrüttelnde Warnung, die einen nicht loslässt, die eine beängstigende Parallelität aktueller Ereignisse skizziert, ohne dies auch nur einmal direkt auszusprechen. […]

Das ganze verwirrend bunte, glamouröse und mit großartigen Kostümen versehene Geschehen lässt an keiner Stelle vergessen, dass dies alles nur Fassade ist, hinter der sich etwas Ungeheuerliches verbirgt, was Angst verursacht. Eine Gefahr, die man nur allzu gern verdrängt, nicht wahrhaben will. Das immer präsent zu halten, ist die Inszenierungskunst von Sebastian Ritschel, der Regie, Bühne und Kostüm in seiner Person vereint hat.

Die Bühne, eine riesige Freitreppe und ein Raum der Pension, bilden abwechselnd die Showtreppe des Klubs oder die aus Nazi-Aufmärschen bekannte Treppen-Gigantomanie, während die inneren Konflikte im Pensionszimmer kulminieren. […]

„Das Cabaret ist die Welt, und die ganze Welt ist ein Cabaret!“ Dieser Satz ist an Aktualität kaum zu übertreffen. Und wem die Welt nicht egal ist, der muss diese Inszenierung sehen.

 

ORPHEUS

Das Finale der Sebastian-Ritschel-Inszenierung (auch Bühne und Kostüme) des Kult-Musicals „Cabaret“ von John Kinder ist alles andere als glamourös. Der zwielichtige, pomadige und grell geschminkte Conférencier (Adrian Becker als hinreißend agierendes Allroundtalent zwischen perfider Lust und demagogischer Aggressivität) erklimmt die monumentale schwarze Showtreppe, die Assoziationen an die Nazi-Architektur weckt. Flankiert von Hakenkreuz-Fahnen und begleitet von Musikfetzen der Propagandahymne „Der morgige Tag ist mein“ schleudert er ins Publikum die Warnung: Wehret den Anfängen. Betroffene Stille bevor das Publikum seiner Begeisterung in enthusiastischem Beifall Luft macht. Die Begeisterung gilt einer Inszenierung, die keinen Zweifel daran lässt, dass dieses amerikanische Musical auch 50 Jahre nach seiner Uraufführung am Broadway nichts an politischer Aktualität eingebüßt hat.

 

Roman Jasiek - www.avalost.de

Der Regisseur und sein Team haben alles richtig gemacht!

„Cabaret“ spielt in den 30er Jahren in Berlin. In einer Zeit also, die in vielen Dingen Parallelen aufweist zu dem, was sich heute wieder mit wachsendem Entsetzen beobachten lässt. Noch haben die Nazis die Macht nicht gänzlich ergriffen, aber der Arm, der dort gierig nach der Macht greift, wird immer länger und stärker. (…) Zentrales Element der Bühnengestaltung ist eine übergroße Revuetreppe, die den optischen Rahmen für viele Szenen dieses Stücks bildet. Ein geschickter Kniff, dieses abstrakte Konstrukt zu nehmen und nicht etwa die Berliner Straßen der 1930er Jahre in Form von Gemälden oder ähnlichem nachzubilden. Auch der berühmte Kit-Kat-Klub wird durch diese Treppe dargestellt; die Szenerie wird dann und wann durch Nachbauten von Leuchtreklametafeln jener Zeit stimmig und stimmungsvoll abgerundet. Dadurch, dass Regisseur und Ausstatter Sebastian Ritschel diese schlichte Form der Gestaltung wählte (genau genommen gibt es lediglich zwei unterschiedliche Bühnenbilder, dieses und das Interieur des Pensionszimmers, in dem Cliff und Sally hausen), ist es vor allem den Zuschauern und deren Fantasie überlassen, sich so in die 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zu versetzen, wie sie es möchten. Damit gleicht Ritschels Arbeit ein bisschen der eines Buchautors. Dieser gibt auch nur die Geschichte vor. Die Bilder dazu malen sich die Lesenden jeweils ganz individuell in die Köpfe. (…)

In Summe mangelte es an Gänsehautmomenten nicht. Sagt ja keiner, dass Gänsehaut von angenehmen Gefühlen begleitet werden muss. Wenn zum Ende des ersten Aktes die sich zusammenraufenden Nationalsozialisten mit dem volksliedhaften „Der morgige Tag ist mein“ selbst feiern, Sprachaufnahmen von Hitler inklusive – unmittelbar, nachdem sie die Verlobungsfeier von Herrn Schultz und dem Fräulein Schneider gesprengt hatten – dann werde wohl nicht nur ich mit einem großen Kloß im Hals ins fast schon erlösende Licht der Pause getaumelt sein. Um nicht das komplette Musical im Detail zu sezieren, nur noch folgendes: der gesamten Inszenierung wohnen so viele große Momente inne. Es ist ein emotionales Wechselbad aus Begeisterung und Bedrückung; die ach so fröhliche, beschwingte Musik der 30er Jahre bildet einen krassen Kontrast zum dramatischen, wenn nicht gar düsteren Inhalt. Die Inszenierung spielt auch dann und wann ein bisschen mit der Moral der Zuschauer. Sollte ich wirklich klatschen, nachdem das Ensemble des Kit-Kat-Clubs gerade ein Hakenkreuz getanzt hat, in ihrer Mitte ein fast schon diabolischer Conférencier? Oder ist es vielleicht doch ganz gut, dass die Ärmel meines Jacketts gerade schwer wie Blei sind, passend wie das Gesehene mir analog dazu gerade im Magen liegt? (…) Immer wieder ertappe ich mich auch dabei, wie mich eine Art schlechtes Gewissen überfällt: darf ich eigentlich Musik und Gesang und den Rausch der Bilder in Form von Bühne und Tanz eigentlich so genießen wie ich es gerade tue, wo doch außerhalb der Theatermauern Dinge wie die gezeigten zunehmend wieder real werden? Durch Gesprächsfetzen, die ich in der Halbzeitpause aufgeschnappt habe, musste ich zwangsläufig erfahren, dass die gewählte Form der Inszenierung, die erschreckende Überschneidung von Vergangenheit und Gegenwart, nicht jedem Gast schmeckte. Die Rede war dort von Kirchen, die man ja auch ruhig mal im Dorf hätte lassen können. Ich würde sagen: Der Regisseur und sein Team haben alles richtig gemacht. Wie gesagt: sie spielen dezent mit der Moral der Zuschauer, mehr aber auch nicht. Wer sich dennoch von einer Moralkeule geprügelt fühlte, hatte eventuell auch einen Grund dazu.  

Als sich der Vorhang gegen 22 Uhr zum letzten Mal senkte, wäre ein anschließender kurzer Moment der Stille seitens des Publikums, um das gerade Gesehene noch einen Moment sacken zu lassen, nicht verkehrt gewesen. Vermutlich nicht nur ich wäre sicher noch ein bisschen betretener in die Nacht entlassen worden, als es ohnehin schon der Fall war. Aber vielleicht muss das bei Premieren einfach so sein, dass die Gäste die Künstler auf der Bühne und die vielen Leute, die im Hintergrund wirken, endlich gebührend feiern wollen. Und das mit gutem Recht. Den Aufwand und die Mühen, die so eine Produktion bedeutet, die Wochen und Monate der Organisation, Vorbereitung und der Proben, die Nerven die das sicher hier und da gekostet haben mag – all das kann sich kein Gast vorstellen, wenn eine nahezu perfekte Show wie an diesem Abend über die Bühne geht. Eine Show, welche die Gäste unterhält, sie in das Berlin der frühen 30er Jahre entführt, sie begeistert, berührt und bewegt. Daher waren die stehenden Ovationen für das Ensemble auf der Bühne, die gleichwohl auch den restlichen Beteiligten dahinter galten, mehr als verdient. 

In einem Interview, das im Programmheft zu diesem Stück zu lesen ist, erklärt Sebastian Ritschel: „Dass wir in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche und einer wiedererstarkten Rechten leben, ist leider kein Geheimnis. Das Theater ist genau der richtige Ort, um dies zu reflektieren, zu bewerten und sich auch davon zu distanzieren“. Wie wahr. Dass dies in einem Theater passiert, was in einem Bundesland steht, wo zum Beispiel die AfD in der Landtagswahl 2016 auf mehr als 24% der Wählerstimmen kam – mehr als in jedem anderen Bundesland bisher zuvor – kann gar nicht hoch genug angerechnet werden. Das Theater Magdeburg hat damit etwas von diesem bekannten gallischen Dorf, das tapfer Widerstand leistet. Das aufsteht und mit seinem „Cabaret“ im Spielplan die Stimme erhebt. Es bleibt zu hoffen, dass diese Stimme möglichst viel Gehör findet. Wegen der Sache als solches natürlich, aber auch weil es einfach eine verdammt gute Show ist. Tolle Musik, ein faszinierendes weil schlichtes Bühnenbild, detailverliebte Ausstattung und Kostüme, überwiegend großartige DarstellerInnen / SängerInnen und allem voran eben eine Inszenierung, die nachhaltig in Erinnerung bleibt und zumindest mich mit einer Mischung aus Euphorie, Nachdenklichkeit und Beklemmung zurückgelassen hat. Es wäre ein leichtes, abschließend Sally oder ganz besonders den Conférencier zu zitieren. Das Fräulein Schneider trifft aber gerade sehr viel mehr den Punkt: With a storm in the wind, What would you do?

 

www.bild.de

Die Inszenierung von Sebastian Ritschel (Regie, Bühne und Kostüme!) hat Klasse. Wie er dieses Musical wuppt, imponiert. Und die Musik erst. Der Sound ist perfekt. Die Inszenierung ist als solche stark. Langer Jubel, Standing Ovations.

 

 

Lydia Fössl - www.magdeboogie.de

Die Inszenierung beeindruckt durch eine Kälte der Atmosphäre. Trotzdem das Bühnenbild erstaunliche Wandlungsfähigkeit demonstriert, die Szenen in der Pension gemütlich gestaltet sind und die Episoden im Kit-Kat-Klub illuster, entwickelt sich nur wenig Wohlgefühl. Die Niederträchtigkeit, Ignoranz, Emotionslosigkeit, Kompromisslosigkeit der NSDAP, die zu Beginn der 30er Jahren immer mehr Menschen in ihren Bann zieht, ist deutlich spürbar und der Wandel der Gesellschaft Stück für Stück sichtbar. Eine der beklemmendsten Szenen entstammt der Verlobungsfeier von Fräulein Schneider und Herrn Schultz. Alle Freunde sind geladen, die Stimmung ist ausgelassen, bis der glückliche Bräutigam ein jüdisches Lied intoniert. Die Gäste offenbaren im Laufe des Liedes ihre Zugehörigkeit zum Nationalsozialismus und aggressiv verändert sich der Ton der Inszenierung, außerdem wird die Unbehaglichkeit nun offensichtlich und nicht mehr nur unterbewusst transportiert. Sebastian Ritschel (Regie/Bühne/Kostüme) schafft es mit seinem Team, die Bedrohlichkeit der Zeit und die Anwesenheit einer ausgrenzenden Gesellschaft, dem Zuschauer spürbar zu vermitteln.

 

www.musicalfreunde.de

"Cabaret": Einer der Meilensteine der Musicalgeschichte!

Das Theater Magdeburg bringt diesen Klassiker nun in der Inszenierung von Sebastian Ritschel, der auch die Ausstattung verantwortet, auf die Bühne des Opernhauses.

Den Zuschauer erwartet eine monumentale (Show-)Treppe, die, ständig in Bewegung Dank Drehbühne, stetig neue Handlungsräume auftut und auch der effektvoll dramatischen Ausgestaltung mancher Nummern dient. Erfreulicherweise wurde darauf verzichtet, die Handlung in die Gegenwart zu holen. Auch in Anbetracht der gegenwärtigen Lage (z.B. Pegida) ist das politische Sujet durchaus in der Lage, für sich zu sprechen - ohne Verortungen. Neu für mich war jedoch die stark ausgeprägte Fokussierung auf das Thema Homosexualität. Das war ich aus den bisher gesehenen zwei anderen Inszenierungen nicht gewohnt.

Alles in allem ist es eine in sich schlüssige Inszenierung, die viele starke und überwältigende Bilder entwirft und sehr dynamisch und ausgeglichen präsentiert wird.

 

Anna-Lena Kramer - www.wordpress.de

Mit „Cabaret“ bringt der Regisseur und Ausstatter Sebastian Ritschel ein historisches Musical auf die Bühne Magdeburgs. Eine Revuetreppe mit nachgebildeten Leuchtreklamen der bekanntesten Einrichtungen, grandiose Kostüme im Stil der Zeit, dazu die Kompositionen von John Kander (musikalische Leitung in Magdeburg: Damian Omansen) mit verschiedenen Show- und leiseren Nummern.

Schaut man heute in die Zeitung und liest Nachrichten, kann man klare Parallelen zu der damaligen Zeit erkennen. Das ist kein Geheimnis mehr. Politische und gesellschaftliche Umschwünge sind nichts Neues. So schillernd und aufregend das Leben damals in der Hauptstadt war, aber es war auch kein Geheimnis, dass viele Bürger unter Wohnungsnot, Massenarbeitslosigkeit und Verlustängste litten. Den Geist der Zeit hat Ritschel mit diesem Musical definitiv auf die Bühne des Magdeburger Opernhauses gebracht.

Die Begeisterung beim Publikum war groß, was man an der stehenden Ovation festmachen konnte. Schon während der Aufführung konnte man immer wieder ein lautes „Bravo!“ aus der Masse vernehmen. Das lag nicht nur an der Thematik, sondern auch an den Musical-Darstellern. (…) Aber nicht nur die Besetzung ist ein wahrgewordener Traum, sondern auch die verschiedenen Kulissen. Diese Revuetreppe, Fräulein Schneider’s Zimmer – eine Liebe bis ins kleinste Detail wird dem Publikum hier geboten. Erst funkelnd und schillernd, im zweiten Akt eher düster und kalt. Es macht sich schon ein mulmiges Gefühl im Bauch breit, wenn sich die Lichterstadt Berlin auf einmal nationalsozialistisch verwandelt; wenn Fahnen mit Hakenkreuzen aufgezogen werden. Aber all das bleibt im Gedächtnis und macht „Cabaret“ zu einem guten Musical, welches von Jung und Alt besucht werden kann.