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THE PRODUCERS

Mel Brooks

Inszenierung | Licht Sebastian Ritschel
Musikalische Leitung Ulrich Kern
Ausstattung Sebastian Ritschel, Barbara Blaschke
Choreografie Dan Pelleg, Marko E. Weigert
Dramaturgie Ronny Scholz
Choreinstudierung Albert Seidl
 
Premiere 20. Mai 2017 | Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz

Besetzung

Max Bialystock Stefan Bley
Leo Bloom Daniel Eckert
Franz Liebkind Hans-Peter Struppe
Roger De Bris Adrian Becker
Carmen Ghia Michael Berner
Ulla Svaden-Svanson Alison Scherzer
2 Platzanweiserinnen Anna Gössi, Julia Harneit
2 alte Damen Anna Gössi, Julia Harneit
Halt-Mich-Grabsch-Mich Natalie Glas
Bryan Leo Mastjugin
Kevin Jason Lee
Scott Dan Pelleg
Shirley Julia Harneit
Sturmtruppenmann Thembi Nkosi
Sturmtruppenmann Rolf Carsten Arbel
Sturmtruppenmann Mel Robert Rosenkranz
Wachtmeister Carsten Arbel
2 Polizisten Heiko Vogel, Robert Rosenkranz
Richter Ji-Su Park
Häftlinge Robert Rosenkranz, Keon Lee, Carsten Arbel
   
  Opernchor des GHT
  Neue Lausitzer Philharmonie

Trailer |

Rezensionen

Heinz-Jürgen Rickert - Musicals

Weit mehr als eine respektable Gesamtleistung

„Das ist die umgekehrte Machtergreifung. Man muss ihn ständig spielen, um ihn so klein wie möglich zu machen“, äußerte sich in einem Spiegel‐Interview einst der geniale Künstler Mel Brooks. Sein Credo zeigt Wirkung, der grausame Diktator verliert bei ihm in der Tat jeden Rest an Hybris, verkümmert gar zur lächerlichen Knallcharge. Besonders in „Springtime For Hitler“, dem berühmten Film von 1968 und späteren Musical‐Hit, erweist sich der gescheiterte Kunstmaler und größenwahnsinnige Despot als berserkender Klammotier.

Unbegreiflich, warum „The Producers“, Titel der Bühnenadaption, nur so selten auf deutschen Spielplänen erscheint, denn das Stück besitzt neben Esprit und eingängigem Sound allerbeste Voraussetzungen für einen Blockbuster. Im pittoresken Görlitz, einer Region mit erschreckend weit verbreitetem braunen Gedankengut, wagt sich das Gerhart-Hauptmann-Theater an diese musikalische Satire. Regisseur Sebastian Ritschel gelingt eine famos spritzige Inszenierung mit politischen Anmerkungen zur bundesrepublikanischen Realität.

„The Producers“ braucht erstklassig besetzte Darsteller, subversiv ausagierten Witz und hemmungslose Ironie, die mit Lust ins politisch Unkorrekte greift. Das bietet die kleine ostsächsische Bühne mit beachtlicher Überzeugungskraft, praller Energie und Kreativität auf. 

Die Regie setzt immer klare Zäsuren, spitzt zu, deutet manche Szene pointierter als üblich. Den showeffektvollen Auftritt von Adolf Hitler zelebriert Ritschel beispielsweise im pinkfarbenen Militärdress und Pelzmantel als mondänen Zarah‐Leander-Verschnitt. [...]

Das dralle Bühnenstück über das schlechteste Musical aller Zeiten entpuppt sich in der Lausitz als herrlich überdrehte, schrille und umwerfend komische Parodie auf die komplette Unterhaltungsindustrie im Allgemeinen, den Broadway im Speziellen und natürlich den tollpatschigen „Führer“. Vom klappernden Gehhilfen-Stepp über bajuwarische Schuhplattler-Folklore und ausladende Schwulen-Attitüden bis zum Hakenkreuz‐Ballett entwickeln die beiden Choreografen Dan Pelleg und Marko Weigert ein ideenintensives Bewegungsregister.

In der sparsam raffinierten Ausstattung von Sebastian Ritschel und Barbara Blaschke sorgt die Regie für drei wunderbar amüsante Stunden in allerfeinster Show-Manier, inklusive Glitzer, Glamor, fast artistischen Slapstick‐Momenten und homoerotischen Manierismen. [...]

Die frisch poliert wirkende Übersetzung von Nina Schneider verpasst dem Original‐Buch von Thomas Meehan und Mel Brooks die passenden deutschen Vokabeln. „The Producers“ an der Neiße gerät zu einer imposanten, weit mehr als respektablen Gesamtleistung: Chapeau für die ambitionierte, rundum gelungene, von allen Beteiligten großartig mitgetragene Aufführung. Das Publikum riss es vor Begeisterung (beinahe) von den Stühlen.

 

Kai Wulfes - www.musicalzentrale.de

Hut ab vor dieser aberwitzigen Inszenierung. Absolut sehenswert.

Mit strahlendem Tenor skandiert ein dunkelhäutiger Sturmtruppenmann mit blondiertem Haupthaar und farblich harmonierendem Oberlippenbärtchen "Frühling für Hitler und Vaterland". Allein dieser Mini-Auftritt von Thembi Nkosi führt das Dritte Reich mit seiner kruden Rassen-Ideologie ad absurdum. Doch Regisseur Sebastian Ritschel toppt dies mit dem im Song angekündigten Erscheinen DER Lichtgestalt, die Deutschland, und perspektivisch die ganze Welt, glücklich machen soll: Mit elegantem Hüftschwung schält sich aus dem schlichten Ledermantel eine tuntig-tänzelnde Führer-Parodie in lila Glitzeruniform, die allein der zackige Stechschritt ins Straucheln bringt. Im übergeworfenen weißen Schwanenmantel huldigt dieser "Adolf Elisabeth Hitler" mit rollendem Marlene Dietrich-R sich selbst, während sich seine schwarzuniformierten Mannen und SS-Mädels in Hotpants als Hakenkreuz-Formation drehen. Damit gewährt Ritschel dem Publikum einen fulminant-bitterbös inszenierten Einblick in die Neonazi-Revue, mit der die beiden Broadway-Produzenten Bialystock und Bloom alles andere als einen Flop landen. Ihr Traum vom Ruhestand in Rio platzt, ein optisch an Donald Trump erinnernder Richter schickt beide stattdessen ins Staatsgefängnis Sing Sing.

Mit seiner temporeichen Inszenierung orientiert sich Ritschel sowohl an der filmischen Vorlage als auch an der deutschsprachigen Erstaufführung der Musicalfassung. Das ist nachvollziehbar, da Figuren wie Franz Liebknecht oder Roger de Bris in ihrer überspitzten Klischeehaftigkeit nur wenig Spielraum für gänzlich neue Charakterisierungen lassen. Er geht allerdings mit frischen Ideen auch eigene Wege. Wenn zum Beispiel bei Max Bialystocks Solo "Der König vom Broadway" Protagonisten wie das Phantom der Oper, Elphaba, Mary Poppins oder Tarzan den nicht mehr ganz so erfolgreichen Broadway-Produzenten umschmeicheln, dann bekommt er vor Augen geführt, welche Ideen seinen Niedergang hätten aufhalten können.

Auch optisch kann sich die Produktion sehen lassen. Gemeinsam mit Barbara Blaschke hat Ritschel ein zweckmäßiges, durch einschwebende Rückwände, Vorhänge und wenige Versatzstücke schnell wandelbares Bühnenbild entworfen. Besonders stimmungsvoll ist dabei Roger de Bris‘ Residenz, die mit ihren den Raum nach hinten begrenzendem Kunstrosen-Meer in Orange und Rosa gehörig schwul-tuffiges Ambiente verströmt. Den Löwenanteil ihres Etats haben beide Ausstatter jedoch in die vielen, sehr schmucken und aufwändigen Kostüme gesteckt, die in der Revue-Sequenz mit Brezel, Bratwurst und Bierkrug das Deutschland-Bild karikieren. Hier liefern auch Dan Pelleg und Marko E. Weigert ihr Meisterstück ab, die als Choreografen Solisten, Opernchor, Tanzcompany und Statisterie geschickt in Aufmärschen und Tableaus arrangieren. Das agile und sehr synchron tanzende Ballett glänzt zudem bei seinen vielen weiteren Auftritten, insbesondere auch im Stepptanz. [...]

Darf man sich in Deutschland über die Nazi-Vergangenheit lustig machen, oder ist das geschmack- oder gar pietätlos? In der besuchten Vorstellung sorgte diese Problematik bei einigen Zuschauern zunächst für Irritation, die letztendlich dank des übertrieben satirischen Ansatzes und der tollen Darstellerleistungen in Begeisterung umgeschlagen ist. Das Publikum feiert zu Recht alle Beteiligten.


 

Rainer Könen - Sächsische Zeitung

Musical "The Producers" begeistert bei Premiere in Görlitz. Für Mel Brooks‘ Satire auf Hitler gab es dröhnenden Applaus.

In Deutschland hatte man lange gezögert, bis man Mel Brooks’ Broadway-Musical „The Producer“ adaptierte, das am New Yorker Broadway 2001 Premiere feierte und dort jahrelang ein Kassenschlager war. Weltweit sorgte dieses Stück für ausverkaufte Häuser, wurde ein Riesenerfolg. Die deutsche Erstaufführung fand erst 2009 statt, im Berliner Admiralspalast. Also in dem Haus, in dem sich Hitler seinerzeit gerne Operetten ansah. Doch vor acht Jahren wurde dieses Musical vom dortigen Publikum nicht besonders gut angenommen. Ob es am Thema lag? Darf man über Hitler, über Nazideutschland überhaupt lachen? Offensichtlich gibt es selbst heute noch Hemmschwellen. Die es aber zu überwinden gilt. Sebastian Ritschel, der das Stück für das Görlitzer Theater inszenierte, verzichtete weitgehend auf Provokationen. Hakenkreuzembleme sieht man nur auf der Bühne, weder das Foyer des Theaters noch die Außenfassade des Gebäudes sind mit Hakenkreuzflaggen oder Ähnlichem beflaggt wie etwa bei der Berliner Erstaufführung. Das Görlitzer Theater ist nach Berlin, Regensburg und Schwerin erst das vierte deutsche Theater, das diese durchgeknallte musikalische Komödie aufführt. 

In dem rund dreistündigen Stück kommt vieles bunt, schrill und glittrig daher. Stefan Bley als Max Bialystock ist Dreh- und Angelpunkt in diesem Stück, stark in der Stimme, im Ausdruck, vermisst man bei seiner Figur jedoch diese unbedingte Durchtriebenheit, wirkt einiges recht brav. Vom Biedermann zum Lebemann verwandelt sich hingegen Steuerprüfer Leo Bloom. Daniel Eckert gibt ihm eine unschuldige Naivität, eine Weltfremdheit, die sich nach seinem Wechsel ins Produzentenfach schlagartig ändert. [...] Als Führer in pinkfarbener Uniform, mit aufgeklebtem Schnurrbart, ragt Adrian Beckers tuffige Figur aus all den Darstellern heraus, die im Stechschritt hinter ihm über die Bühne laufen. Überhaupt wirkt die Szenerie urkomisch, wenn da Germaninnen mit Brezel- und Wursthelmen über die Bühne schreiten, SA-Formationen sich zu drehenden Hakenkreuzen formieren, dazu enthusiastisch „Frühling für Hitler“ gesungen wird. Am Ende landen Bloom und Bialystock im Knast. Doch davon lassen sich die beiden nicht entmutigen, wissen sie doch schon, wie sie dort herauskommen können. 

Stehend dargebrachte Ovationen gab es für diesen unterhaltsamen Theaterabend, der auch zeigte, dass komödiantischer Irrsinn wie „The Producers“ erfolgreich sein kann. Man muss halt einfach den Mut zum Flop haben.