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COMPANY

Stephen Sondheim

Inszenierung | Licht Sebastian Ritschel
Musikalische Leitung Hans-Peter Preu
Ausstattung Sebastian Ritschel
Choreografie Till Nau
Dramaturgie Ronny Scholz | Gisela Zürner
Choreinstudierung Sebastian M. Fischer
 
Premiere 27. Oktober 2017 | Landesbühnen Sachsen

Besetzung

Robert Markus Schneider
Sarah Stephanie Krone
Harry Michael König
Susan Anna Erxleben
Peter Stefan Glause
Amy Antje Kahn
Paul Kay Frenzel
Jenny Iris Stefanie Maier
David Andreas Petzoldt
Joanne Patricia Hodell
Larry Hagen Erkrath
Kathy Julia Harneit
Marta Anna Preckeler
April Kirsten Labonte
   
  Chor der Landesbühnen Sachsen
  Elblandphilharmonie Sachsen

Trailer |

Rezensionen

Roland H. Dippel - www.nmz.de

Narzissmus-Studie von Stephen Sondheim: COMPANY in Radebeul

Mit Andre Previns „Endstation Sehnsucht“ in der letzten Spielzeit und gleich drei nach 1945 entstandenen Musiktheater-Werken realisiert der neue Operndirektor Sebastian Ritschel an den Landesbühnen Sachsen einen der interessantesten Spielpläne im deutschen Sprachraum. Unter anderem folgen Ludger Vollmers Road Opera „Tschick“ nach Wolfgang Herrndorf (ab 19. Januar) und Gottfried von Einems „Der Besuch der alten Dame“ nach Friedrich Dürrenmatt (ab 26. Mai). Auch beim Musical hat der neue Mann ein glückliches Händchen: Sondheims „Company“ (1970) gerät kein bisschen altbacken, sondern landet recht pfiffig im Heute der temporären Partnerschaften und atomisierten Lebensentwürfe.

Dabei ist der Stoff von Stephen Sondheims „concept musical“ gar nicht so relevant für die Weinberg- und Schlossidylle in Radebeul und Moritzburg. Doch zum ganz großen Erfolg wurde „Company“ leider auch nicht in den Metropolen. Neben der riesigen Spielfreude findet das Ensemble der Landesbühnen Sachsen unter der künstlerischen Gesamtleitung Sebastian Ritschels und Till Naus Choreografie die Disziplin, die das Stück in der genau richtigen Balance zwischen Klischee, Pointe und Individualität hält. Auch wenn der Chor als „The Vocal Minority“ (Einstudierung: Sebastian Matthias Fischer) diskret aus dem Off agiert, ist er für die von Stephen Sondheims synkopisch angeheizten Nummern unverzichtbar.

Heute, mit mehr Offenheit für diverse Lebensentwürfe, hält „Company“ vielleicht sogar noch mehr Doppelbödigkeiten bereit als im Uraufführungsjahr 1970, als die (Pseudo-)Lockerheit nach der sexuellen Revolution ihrerseits neue Verkrampfungen verursachte. Die Stewardess April (passgenaue Leistung mit Stimme und Beinen: Kirsten Labonte) landet mit dem sterilen Charme eines Sachbuchs für Ehehygiene im Bett des Protagonisten Robert. Das ist die eine Ebene der Inszenierung, zu der auch gehört, dass Patricia Hodell als sexuell frustrierte Joanne ihren Song „Auf alle Zicken der Stadt“ hinrotzt, als wetteifere sie mit Liz Taylor in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“. Eine Stunde früher lässt Antje Kahn als Amy ihre Hochzeit platzen wie eine Doris Day im Ausnahmezustand. Doch gibt sich Sebastian Ritschel nicht mit Abziehbildern der Hollywood-Ikonen zufrieden, sondern drängt seine Darstellerinnen erfolgreich zum menschlichen Kern. Da setzt die zweite Ebene an. [...]

Ein Regulativ gibt es in Radebeul, denn Hans-Peter Preu steuert mit der Elbland Philharmonie Sachsen und Saxophon-Gruppe weder Richtung Broadway, noch will er den glatten Sound, der gerade als besonders „stylish“ ankommen könnte. Er zieht eine Klangbasis von dunkler Breite in die sinnig-hohle und faszinierend substanzreiche Musik Sondheims, die emotional brodelt statt flockige Songs reiht. Das geht zu Lasten der showhaften Leichtigkeit und stützt das Geschehen mit jener Aufgewühltheit, die in den Figuren steckt.

Darin ist „Company“ verdammt heutig: Die Figuren leiden nicht an dem, was ihnen widerfährt, sondern an dem, was sie nicht haben und gerade deshalb wollen. Nur der Protagonist Robert hat fast alles und will kaum etwas – nicht einmal, dass die Stewardess Kathy bei ihm bleibt. Das Ensemble der Landesbühnen Sachsen glänzt um ihn in einer kurzweiligen Narzismus-Studie mit Momenten von verhaltener Traurigkeit. Diese bemerkt man aber kaum, weil sich Witz, Lust und Elan zum runden Theaterabend summieren. Die Anreise lohnt sich.

 

Nicole Czerwinka - Dresdner Neueste Nachrichten

Eine Revue für die Ehe. Das Musical COMPANY hinterfragt das Modell Ehe an den Landesbühnen Sachsen.

Heiraten – oder lieber frei bleiben? Das ist die Frage, um die sich in Stephen Sondheims Musical „Company“ (1970) alles dreht. Das Stück nach dem Buch von George Furth hat vom Broadway aus längst die Welt erobert, ist hier jedoch kaum bekannt. An den Landesbühnen Sachsen bringt Sebastian Ritschel mit seiner Inszenierung des Werkes New Yorker Großstadtcharme nach Radebeul. […]

Die Handlung des Musicals ist schnell erzählt und verblüffend heutig: Wie in einer Revue blättern sich Szenen vor Roberts Auge auf, die ihn an Erlebnisse mit seinen verheirateten Freunden erinnern. Zugegeben, das sind Szenen, die jedem eingefleischten Single das Fürchten lehren. […]

Egal also, auf welche Beziehung Robert schaut, alle sind meilenweit entfernt von der Illusion Liebe. In ironischen Tönen stellt das Stück die Institution Ehe auf eine harte Probe. Stephen Sondheim verzichtete für sein Musical auf einen Plot, reiht lieber elf kurze Einakter aneinander. Leichtfüßig erzählt, huschen die Szenen vorbei wie eine bunte Show aus verschiedenen Sketchen. Robert als reflektierender Fixpunkt immer mittendrin.

Sebastian Ritschel setzt in der Inszenierung ganz auf den Showcharakter und stellt die verschiedenen Beziehungsmodelle humorvoll in Kontrast. Die Zeitlosigkeit symbolisiert er mit einer Schachbrettkulisse wie im Fernsehen, in der das Licht für verschiedene Stimmungen sorgt. Auch scheut er sich nicht, die typenhaften Figuren schonungslos zu überzeichnen und der Ironie die Bühne zu öffnen. […]

Ob es ein Happy End gibt? Man weiß es nicht genau. Nur eines kann am Ende gesagt werden: Das Experiment ist geglückt. „Company“ ist gewiss keines der rührseligen Musicals mit seichter Handlung, sondern ein schonungsloses Showstück. Mit brodelnder Ironie behandelt es eine zeitlose Frage, die heute aktueller denn je erscheint: Was gibt uns die Ehe in einer Zeit, in der wir in der Fülle an Möglichkeiten schier ertrinken? Beantworten können wir uns diese Frage wohl nur selbst. Es schadet nicht, sich dabei der beißenden Ironie des Stückes ganz unbeschwert einen Abend lang hinzugeben

 

Toralf Grau - Meißner Tageblatt

Ein Sonnyboy entdeckt den Zauber der Liebe

Mit dem Musical „Company“ gibt Regisseur Sebastian Ritschel seinen Einstand als neuer Musiktheater-Chef der Landesbühnen Sachsen.

Muss es Liebe sein oder reicht die Freundschaft? Ist der Mensch erst mit der Heirat voll und ganz erwachsen? Zugegeben: Die Fragen, an denen sich die Protagonisten von Stephen Sondheims Musical „Company“ abarbeiten, klingen ein wenig nach einer Nabelschau arrivierter Wohlstandsbürger. Doch tatsächlich bietet das Früh-Seventies-Stück in einer Inszenierung an den Landesbühnen Sachsen hörens- und sehenswerte Unterhaltung. In Personalunion als Regisseur und Ausstatter gibt Sebastian Ritschel damit einen beschwingten Einstand als neuer Radebeuler Operndirektor.

Raffinierte Musik, hoher Schauwert in Ausstattung und Choreografien, lustvoll agierende Sängerinnen und Sänger: Mit dieser Mischung ist „Company“ eine schöne Entdeckung auf dem Landesbühnen-Spielplan. Selbst die Handlung erweist sich schließlich als weit weniger läppisch, als es der erste Anschein vermuten lässt. Da begegnen die Zuschauer dem New Yorker Sonnyboy Robert (Markus Schneider) zunächst an seinem 35. Geburtstag. Seine Freunde haben sich um ihn versammelt, um ihm vor allem eins zu wünschen: eine Frau, die ihn liebt und heiratet. [...]

So fein, wie Autor Sondheim Leid und Glück dieses „Sowohl als auch“ beobachtet hat und wie es Regisseur Ritschel auf die Radebeuler Bühne bringt, wirken die Charaktere aus „Company“ gar nicht gestrig, sondern wie Zeitgenossen. [...]

Mit einer minimalistischen Kulisse aus unterschiedlich beleuchtbaren Quadraten gibt Sebastian Ritschel dem Stück einen großstädtisch eleganten Rahmen. Die Choreografien haben den dazu passenden Esprit. „Company“ ist ein Stück über Paare im New York von 1970, das aber auch in jeder heutigen Stadt spielen könnte.

 

Jens Daniel Schubert - Sächsische Zeitung

Welches Beziehungsmodell für wen das richtige ist, wird an den Landesbühnen Sachsen im Musical „Company“ unterhaltsam diskutiert.

Robert ist 35. Zeit zu heiraten. Oder? Seine Freunde, die „Company“, haben ihre Erfahrungen, leben ihre Vorstellungen, die seine Sehnsucht und seine Zweifel begleiten. Darum geht es in Sondheims Musical, das am Wochenende an den Landesbühnen Sachsen in Radebeul Premiere feierte. Sondheim blickt aus diversen Winkeln auf die Ehen dieser „Company“. Immer, wenn Robert meint, ein Argument gefunden zu haben, wird es relativiert. Auch bei seinen drei Freundinnen ist das so. […] 

Selten war eine Sexszene auf der Bühne so erotisch-prickelnd und doch dezent choreografiert. […]

Fragen, Sehnsüchte und die Unfähigkeit, mit dem Gegebenen glücklich zu werden oder es zu ändern, bleiben. Das Stück beleuchtet Schattenseiten und ist gleichzeitig ein Plädoyer für die Ehe. Wohl jeder dürfte etwas finden, das ihn betrifft oder bewegt.

Die Inszenierung von Sebastian Ritschel stellt die Geschichte als Versuchsanordnung auf die Bühne. Sein in schwarz-weiße Quadrate unterteilter Raum hat viele Wandlungsmöglichkeiten, assoziiert Schachbrett oder Setzkasten, vielleicht auch die Schubladen, die dann doch nicht passen. Die Kostüme sind heutig, charakterisierend und ästhetisch ansprechend.

Choreograf Till Nau gibt den Szenen rhythmische Ordnung, Drive und findet zu sinnfälligen Arrangements. Solisten wie Chor überzeugen mit großer Präzision und Ausstrahlung. Ritschel führt die Figuren zu nachvollziehbaren Charakteren und lässt den Darstellern Freiräume für kleine Kabinettstücke. […]

Alle gemeinsam bilden, gerade als Ensemble, auch sängerisch die gelungene Basis für Sondheims Musik, die durchaus auch sperrig und abseits vom Allerwelts-Musical-Sound klingt. Der szenisch zurückhaltend geführte, aber gut klingende Chor und die Elblandphilharmonie Sachsen unter Leitung von Hans-Peter Preu […] runden die gelungene Gesamtleistung ab. Großer Applaus.