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ORPHEUS UND EURYDIKE

Christoph Willibald Gluck | Steffan Claußner

Inszenierung | Licht Sebastian Ritschel
Musikalische Leitung Steffan Claußner
Ausstattung Sebastian Ritschel, Britta Bremer
Choreografie Dan Pelleg, Marko E. Weigert
Dramaturgie Ronny Scholz
Choreinstudierung Manuel Pujol
 
Premiere 20. Juni 2013 | Nikolaifriedhof Görlitz

Besetzung

Orpheus Patricia Bänsch
Eurydike Audrey Larose Zicat
Amor Laura Scherwitzl
  Tanzcompany des GHT Görlitz
  Chor des GHT Görlitz
   
Keyboard Steffan Claußner
Violine Konstantin Zahariev
E-Gitarre Christian Konrad
E-Bass Tobias Brunn
Schlagzeug Nikolas Basler

Trailer | Trailer | ORPHEUS UND EURYDIKE

Rezensionen

Jens Daniel Schubert - Sächsische Zeitung

Höllisches Treiben unter freien Himmel

Die Görlitzer Oper macht mit „Orpheus und Euridike“ einen Friedhof zur Theaterbühne.

Die Unwetterfront nahte unerbittlich, doch die Theaterleute blieben optimistisch, zumal sich die Görlitzer als diesjähriges Sommerspektakel etwas ganz Besonders haben einfallen lassen: „Orpheus und Eurydike“ auf dem historischen Nikolaifriedhof. Der hatte schon vor einigen Jahren als romantisch-gruselige Kulisse für ein theatralisches Event gedient.

Für „Orpheus“ hat man eine Tribüne gebaut, von der aus die Zuschauer ein großes Stück des Friedhofs am Hang gut überblicken können. Verschiedene Bühnen mit überdimensionalen Särgen sind aufgebaut, Grabmale von unten angestrahlt, an einigen Stellen wabert künstlicher Nebel.

Mit dem Glockenschlag der Friedhofskirche beginnt das Spiel. Eurydike wird beerdigt, hinter ihrem Sarg der trauernde Gatte Orpheus. Ganz in schickem Schwarz, mit langem schwarzem Haar und einer geschminkten Träne könnte er auch auf dem Weg zum Wave-Gothic-Festival in Leipzig sein. Seine Begleiter – Männer und Frauen der Tanzcompany – tragen schwarze Röcke, schwarze Lederwesten und lange Blondhaarperücken. Die Beerdigung wird zum Kult, zum Fest, zum Tanz.

Glucks Musik wird von einer Band gespielt: Keyboard, E-Bass und -Gitarre, Schlagzeug. Lediglich eine – elektronisch verstärkte – Violine lässt noch etwas von der barocken Ursprungsgestalt der Musik ahnen. Es ist erstaunlich, wie die Musik des 18. Jahrhunderts allein durch das moderne Arrangement von Steffan Claußner vollkommen heutig und aktuell wirkt. Der Einstieg in die Subkultur der „Grufties“ wird in der Inszenierung dann nicht weitergeführt, auch wenn Orpheus’ „Trauergäste“ die ganze Zeit bei ihm bleiben und ihm auch in der Unterwelt zur Seite stehen. Genau dahin muss sich Orpheus nämlich aufmachen. Getrieben von der Liebe in Gestalt von Gott Amor. Der ist wie er ganz in Schwarz gekleidet, hat aber ein Paar rote Flügel auf dem Rücken. Einst war Amor der Cupido, der kleine verspielte Engel mit Pfeil und Bogen, jetzt ist er in der Pubertät und hat andere Probleme.

Schön romantisch und gruselig

Orpheus jedenfalls durchwandert die Hölle, und das gibt ein Höllenspektakel. Da sind die bösen Furien und Larven, die Orpheus beim Leichenschmaus aus einem riesigen roten Sarg stört. Sie weisen Orpheus’ Begehren ab. Das Licht baut romantisch-gruselige Stimmungen und wird durch effektvolle und musikalisch getimte Pyrotechnik von Artkontor unterstützt.

Schließlich darf Orpheus weiterziehen, Wände um die Höllenbühne fahren hoch, und ein weiterer weißer Lichtwürfel entpuppt sich als nächste Bühne – die glückseligen Inseln. Die Menschen dort sehen weiß aus und eher fad, und Orpheus findet seine Eurydike auch hier nicht.

Erst auf der mittleren Bühne mit den überdimensionierten Särgen trifft er sie. Und jetzt wird es dramatisch, denn Eurydike soll Orpheus folgen, ohne mit ihm zu sprechen. Hier hat die Inszenierung von Sebastian Ritschel die dichtesten Momente. Hier zeigt sich in Besonderheit das spielerische und sängerische Talent der Darsteller – Patricia Bänsch als Orpheus, Audrey Larose Zikat als Eurydike und Laura Scherwitzl als Amor. Schaut Orpheus Eurydike an, muss sie für immer sterben und er wird ewig trauern. Schaut er sie nicht an, wird sie an der vermeintlich fehlenden Liebe verzweifeln und nicht mit ihm gehen.

Wie beim richtigen Sommertheater zu erwarten, geht die Sache natürlich gut aus. Nachdem Orpheus Eurydike angesehen hat, muss sie sterben und er trauern: „Ach, ich habe sie verloren!“ Dann aber kommt die Begnadigung von oben, und beide dürfen dann doch ihre Liebe leben.

Riesenapplaus zur Premiere am Donnerstag, große Begeisterung für einen effektvollen, unterhaltsamen Theaterabend an ungewöhnlichem Ort. Und dann schnell nach Hause, denn der Wind frischte spürbar auf, und erste Regentropfen fielen…